Das Bösendorfer Journal - Die Reise beginnt


Ein Bild sagt mehr als tausend Worte


Vieles gerät über die Jahre in Vergessenheit und je mehr Zeit vergeht umso schwieriger wird es sich zu erinnern. Je länger Geschichten zurückliegen umso mehr werden Sie auf Ihre Essenz gekürzt, auf Zahlen, Daten und Fakten beschränkt.

Wir wagen jedoch den Versuch einigen Daten und Fakten wieder ein Gesicht zu geben. Um zu verstehen wohin man geht, muss man wissen woher man kommt und Erkenntnis schafft man leichter mit Vertrautem und Bekanntem.

Bösendorfer – ein Name mit dem Menschen so vieles verbinden. Große Konzertsäle, himmlische Melodien, Rhythmen, gespielte Töne der Vergangenheit, technische Feinheiten, Raffinesse, Handwerkskunst, Fortschritt und Tradition. Doch kennen wir die Gesichter hinter dem Namen? Einige mögen sich vielleicht noch erinnern, doch wie viel hat die Zeit überdauert, das heute noch greifbar ist?

Mein Name ist Klaus Hruby und ich bin seit mehr als 14 Jahren als Autor und Journalist tätig. Teil meiner Aufgabe ist es, Dinge die in Vergessenheit geraten sind wieder zu entdecken, genauso, wie mich Tag für Tag wieder auf die Suche zu begeben, nach Geschichten, die es wert sind erzählt zu werden. Manchmal findet man sie in Archiven und manchmal findet man sie durch Zufall - oder durch einen guten Freund. In diesem Fall war es einer meiner engsten Freunde, der seit vielen Jahren bei Bösendorfer arbeitet: Roland Pohl. Gemeinsam mit ihm begebe ich mich auf Spurensuche um zu sehen was es zu finden gibt und was hinter dem goldenen Schriftzug noch darauf wartet entdeckt zu werden.

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 Foto: Roland Pohl

 

Wie so vieles begann auch diese Reise mit einem Buch. Es war eigentlich ein ganz normales Frühstück. Der Kaffee verströmte seinen herrlichen Duft durch die Küche. Marmelade wurde auf Gebäck gestrichen und die Sonnenstrahlen bahnten sich ihren frühlingserwachten Weg auf den Frühstückstisch. Inmitten der Alltäglichkeit lag ein Buch „Wien um 1900, Kunst und Kultur“ wunderschöne Illustrationen, gepaart mit informativen Texten - was will man an einem herrlich gedeckten Frühstückstisch noch mehr - eine illustre Epoche für einen illustren Sonntagmorgen.

Ziemlich in der Mitte des Werks befindet sich ein Bild, eine Grafik, die die wichtigsten Persönlichkeiten dieser Zeit beim Flanieren auf der Wiener Ringstraße zeigt. Zentral im Bild, sozusagen im Epizentrum der Kultur, unscheinbar und doch sofort zu erkennen, ein Mann der für sehr viele Menschen Einiges verändert hat: Ludwig Bösendorfer.

Mit einem Schlag hatte ein Name ein weiteres Gesicht. Was als ein flüchtiger Blick auf ein Bild an einem Sonntagmorgen begann, als Funke und Hauch einer Idee, verselbstständigte sich von Tag zu Tag mehr und das auf äußerst positive Art und Weise. Denn, wenn Ludwig Bösendorfer auf diesem Bild im Zentrum der Kultur abgebildet wurde, ergeben sich einige Fragen, deren Beantwortung sicherlich viele interessieren würden. Nein, hier geht es nicht um die ganz großen Fragen! Hier soll es darum gehen, die Person wieder greifbar, spürbar und erlebbar zu machen. Wie verbrachte Ludwig seinen Alltag? Wer waren seine Freunde, wer seine Begleiter durch die Konzertsäle der Geschichte? Mit wem verabredete er sich zum Kartenspiel? Welchen Weg nahm er zur Arbeit? Und warum steht Otto Wagner direkt neben ihm?

Zugegeben, vieles erscheint vorerst als Nebensächlichkeit. Doch vertrauen Sie uns, Sie werden überrascht sein wohin diese einfachen Fragen führen können. Alice folgte einst einem weißen Kaninchen in seinen Bau, wir folgen den Fußspuren zweier Österreicher Meisterhandwerker in das Herz der Musik, zu einer Vision, die bis heute ein Handwerk am Leben erhält, das beides ist: Fortschritt und Tradition.

Diese Journal lädt Sie dazu ein in die Gesichter hinter dem goldenen Schriftzug auf schwarzem Lack zu blicken, im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn. Es gibt nicht besonders viele Unternehmen, die auf eine Historie zurückblicken können, die die Jahrhunderte umspannt und bis heute noch Bestand hat. Vieles davon liegt direkt vor unserer Nase und ist zum Greifen nah. Was gibt es Schöneres als dem Zauber der Musik und der Vergangenheit in die Zukunft zu folgen.

Es freut uns besonders, Sie auf diesem Weg mitzunehmen, denn es gibt noch so viel zu entdecken, zu suchen und zu finden. Letztendlich erzeugt auch die Geschichte einen Klang der unverwechselbar ist, so unverwechselbar wie ein Konzertflügel und die Faszination, die jenen innewohnt die lauschen, bis auch der letzte Ton verklungen ist.

Folgen Sie uns - im nächsten Beitrag am 30. Januar - auf den Ringstraßenkorso an einem Sonntagvormittag um 1900 ...


"Wien 1900: Kunst und Kultur" Fokus der europäischen Moderne, Christian Brandstätter (Herausgeber), Verlag: Christian Brandstätter (14. Aug 2014), Sprache: Deutsch, ISBN: 978-3-85498-355-2 (Die Abbildung enthält eine ältere Ausgabe, deren Inhalt jedoch mit dieser identisch ist.)