Journal: Secession - Einheit in der Vielfalt


Der Zeitgeist der Secessionisten und ein Flügel als Gesamtkunstwerk


Seit der Gründung von Bösendorfer entwarfen immer wieder berühmte Architekten wie Theophil Hansen, Anton Grosser, Josef Hoffmann, Josef Frank oder Hans Hollein Flügel für Bösendorfer. Diese Tradition nimmt Bösendorfer in Form einer „Architecture Series“ wieder auf und präsentiert als ersten Flügel dieser Serie das Modell Secession. Heute eines der meist fotografiertesten Gebäude in Wien, verbirgt sich hinter dem Begriff Secession nicht nur das Gebäude sondern eine künstlerische Vereinigung, ein Bau- und Designstil aber auch eine Philosophie, auf der alles beruht. Inspiriert von diesem Zeitgeist, der Einheit in der Vielfalt, entstand das Design des Bösendorfer Secessionsflügels als Gesamtkunstwerk

Die Secession


Teil der Geschichte Wiens und Europa

 

Wien um 1900 - Es ist die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und dem anschließenden Zerfall der Habsburgermonarchie. Die Hauptstadt Wien verzeichnet 2 Millionen Einwohner und ist durch den Vielvölkerstaat ein Schmelztiegel der mitteleuropäischen Kulturen. Sie ist ein Zentrum der wirtschaftlichen und intellektuellen Elite, eine Blütezeit in der Philosophie, Malerei, Architektur, Musik und Literatur, aber auch in der Mathematik,der Medizin und den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.

 

Im Milieu von konservativem Prunk und Fortschritt bildet sich in der Kunst die Wiener Moderne als Gegenströmung zum Naturalismus aus, die sich dem naturgetreuen Abbilden realer Umstände die „Kunst um der Kunst Willen“ entgegensetzt. Es entsteht der „Fin de Siècle“ in Europa mit bedeutenden Zentren in Wien, Paris, Berlin, Mailand und St. Petersburg.

Die Industrialisierung schreitet voran und erleichtert auch das Reisen. Adolf Loos fährt nach Amerika und prägt später gemeinsam mit Otto Wagner die Architektur in Wien. 1895 erklärt Otto Wagner die Ära und Vorherrschaft des Historismus, der Wiener-Ringstraßen-Gebäude im neugriechischen, neurömischen und neubarocken Stil, für beendet. Es ging um die notwendige Anpassung der Architektur an den technischen Fortschritt.

 

Foto: Joseph Mario Olbrich; "Das Haus der Secession", Skizzenblatt zum ersten Entwurf, 1897, Archiv der Secession

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Mit neuen Ideen ins aufregend Unbekannte

Wien 1897 - eine Gruppe von Österreichischen Künstlern spaltet sich vom traditionellen Wiener Künstlerhaus, der damaligen Standesvertretung der Wiener Maler, Bildhauer und Architekten, ab. „Ein Frischer Wind soll wehen, der die Rückwärtsgewandtheit des Künstlerhauses hinwegfegen soll“.

Die Secessionisten (die Abgespaltenen) streben die Vereinigung und Gleichstellung aller Künste, der Architektur, Malerei und Bildhauerei zu einem Gesamtkunstwerk an. Es soll keine Unterschiede in der Kunst geben, und Kunst soll ein Allgemeingut sein. Alle einschlägigen Künstlergrößen in Wien um 1900, wie Koloman Moser, Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Max Kurzweil, Carl Moll und viele andere Künstler nehmen an diesem Auszug teil, und mit Gustav Klimt als Gallionsfigur, beginnt die Fahrt ins aufregend Unbekannte.

Sie prägen den Secessionsstil, oft auch als Wiener Jugendstil bezeichnet, der nach dem Haus, der Organisation und der Institution benannt ist. Es war und ist bis heute ein Labor, das mit großer Konsequenz versucht, den von Ludwig Hevesi ersonnenen Wahlspruch, aufrecht zu erhalten: „Der Kunst ihre Zeit – der Kunst ihre Freiheit“.

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Gruppenbild von Mitgliedern der Wiener Secession anlässlich der XIV. Ausstellung 1902: Anton Stark, Gustav Klimt (im Sessel), Kolo Moser (vor Klimt mit Hut), Adolf Böhm, Maximilian Lenz (liegend), Ernst Stöhr (mit Hut), Wilhelm List, Emil Orlik (sitzend), Maximilian Kurzweil (mit Kappe), Leopold Stolba, Carl Moll (liegend), Rudolf Bacher (von links nach rechts, Foto: Moriz Nähr / Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek)

 


Inspiriert von der britischen Arts & Craftsbewegung gründen 1903 Josef Hoffmann, Koloman Moser und der Industrielle Fritz Waerendorfer die Wiener Werkstätte und erneuern den Begriff Kunstgewerbe. Sie produzieren erfolgreich Alltagsgegenstände, Schmuck und Möbel und unterhalten zeitweise Verkaufsstellen in New York, Berlin und Zürich.


Meisterwerk und Gesamtkunstwerk

Aus der Vision des Gesamtkunstwerks ergibt sich für die Secessionisten die Notwendigkeit des physischen Raumes, in dem die Kunstwerke ausgestellt werden können. Von Otto Wagner und Gustav Klimt inspiriert, erschafft Joseph Maria Olbrich das Secessionsgebäude, einen „Tempel der Kunst“. Es ist ein Schlüsselwerk des Wiener Jugendstils und eine Synthese von Archaik und Moderne, eine neuartige Deutung von typologischen und symbolischen Referenzen.

 

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Olbrich erzeugt einen starken Kontrast zwischen dem weihevollen Eingang unter der goldenen Kuppel und der nüchternen Funktionalität des Ausstellungstraktes. Bis heute ist die Secession weltweit das einzige, ausschließlich der modernen Kunst gewidmete Ausstellungshaus.

Nach der Fertigstellung sorgt das Haus optisch wie politisch für unterschiedliche Reaktionen, die sich auch in der Berichterstattung der Presse wiederspiegeln. Die Kommentare reichen von „einzigartiger Zierde des neuen Wien-Boulevards“ über „ein Meisterstück an originaler und zweckmäßiger Baukunst“ aber auch „den sonderbaren Bau mit seinen aus dem fernen Osten geholten Formen“ bis hin zum „großen architektonischen Irrthum“

Foto: Secession 2018 / Jorit Aust

 

Im Jahr 2000 ist die Fassade erneut öffentliches Gesprächsthema, bietet sie doch eine Fläche zum plakativen Aufbegehren der Kunst- und Kulturschaffenden mittels Farbe und Statement gegen die damalige amtierende Regierung.

 

 

 

 

Einheit in der Vielfalt

 

Olbrich entwirft und gestaltet mit verschiedenen Künstlern zusammen das äußere Erscheinungsbild des Secessionsgebäudes.

Der skulpturale Dekor der Portalnische mit den Gorgonenhäuptern stammt von Othmar Schimkowitz.

Die in Kupferblech getriebene Verkleidung der Eingangstüren sind von Georg Klimt.

Das Fresco „Reigen der Kranzträgerinnen“ an der Nordfassade und die vielfarbige Glasrosette „Erzengel der Kunst“ an der Stirnwand des Foyers stammen von Koloman Moser.

Olbrich selbst modelliert nach Mosers Zeichnungen die Eulen der Seitenfronten.

 

 

Foto: Secession 2018 / Jorit Aust

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Die Vereinigung mit der Musik

Sowohl das Gebäude Secession wie sein schöpferischer Geist sind seit 1902 mit Ludwig van Beethoven fest verbunden. Die XIV. Ausstellung ist dem großen Komponisten gewidmet, der als Prototyp des einsam kämpfenden, für die Menschheit leidenden Künstlers gilt. Das Konzept der Secessionisten -  Meisterwerk und Gesamtkunstwerk in einem – wird in dieser Schau auf das Konsequenteste umgesetzt und macht sie damit zur berühmtesten und meist besuchtesten Ausstellung.

Joseph Hoffmann entwirft den Ausstellungsplan mit 21 Künstlern als eine Hommage an den Künstler und Komponisten Ludwig van Beethoven. Im Mittelpunkt steht eine Beethoven-Skulptur von Max Klinger. Beethovens „Neunte“ ist wohl seine berühmteste und revolutionärste Sinfonie. Dem berauschenden Schlusschor kann sich kaum jemand entziehen. Der Text, der sich auf Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“ bezieht, spiegelt einen demokratischen Zeitgeist und Werte wider, die in einer vom Humanismus geprägten Gesellschaft bis heute Gültigkeit haben.

Gustav Klimt ist von Beethovens 9. Sinfonie so fasziniert, dass er „die Suche der Menschheit nach dem Glück“ auf 34 mal 2 Meter großen Werken verbildlicht. Sein Beethovenfries wird gemein hin als „Kuss an die Welt“ bezeichnet. Klimt verdeutlicht darin, dass die Menschheit ihre Erfüllung in der Kunst, konkret in diesem Werk Beethovens, findet. Gustav Mahler, zu dieser Zeit Direktor der Staatsoper Wien, unterstreicht diese Bedeutung und eröffnet die Beethovenausstellung 1902 mit seinem eigenen Arrangement der 9. Sinfonie für Blasorchester.

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Gustav Klimt, Beethovenfries, Raumansicht Secession, Foto: Secession/Jorit Aust

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Gustav Klimt, Beethovenfries, Detail rechte Wand (Die Künste, Chor der Paradiesengel und Diesen Kuss der ganzen Welt), Secession, Foto: Secession/Jorit Aust

Die alles überragende Krone - die Lorbeerkuppel

Besonders eindrucksvoll setzen die Secessionisten ihr Motto „Ver Sacrum“ (heiliger Frühling) mit dem Lorbeerblätterdach und alles überragenden Symbol des Gebäudes - der Kuppel - um.

 

Hauchdünnes Blattgold, ausgeklügelt auf den grün gefärbten Blättern eingesetzt, sorgt für den überwältigenden Effekt der hauptsächlich aus Eisen bestehenden Konstruktion.

2.316 Lorbeerblätter, jedes ein Unikat, an den erhabenen Stellen 23 Karat vergoldet, mit 342 kugelförmigen Lorbeeren, ebenfalls 23 Karat vergoldet, mit 217 unterschiedlich weit verzweigte Äste, allesamt handgefertigt, erzeugen einen Kuppeldurchmesser von 9 Metern. 

In Referenz auf die Nähe zur Karlskirche unterstreichen sie damit den Wahlspruch „Ver Sacrum“.

Foto: Secession 2018 / Jorit Aust

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Der Bösendorfer Secessionsflügel


Inspiriert von den Zeichnungen und vom Gebäude selbst, entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Secession das Design des Flügels und führt die lange Tradition der Bösendorfer Manufaktur, der durch Architketen und deren Werke entstandenen Flügel, weiter fort.

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Der Bösendorfer Secessionsflügel nimmt das überragende Symbol der Secession, die Lorbeerblätter der Kuppel, in ornamentierter Form aus der Fassade auf und bringt sie in 23 Karat Gold auf dem klassisch schwarzen Hintergrund des Deckelinneren zum Strahlen.

Der Gussrahmen führt diesen Glanz mit 23 Karat Vergoldung weiter. Flügelinnenwand und Stimmstock verweisen mit dem zarten Grün der Lorbeerblätter aus der Kuppel auf das Motto „Ver Sacrum“. Buchstabe für Buchstabe ist dieses Leitwort zusammen mit weiteren Elementen der Hauptfassade im Notenpult eingraviert und ebenfalls in 23 Karat vergoldet. Die Ornamente links und rechts greifen ebenfalls den zarten Grünton der Lorbeerblätter wieder auf.

Foto: Secession 2018 / Jorit Aust

 

 

 

Weitere Secessionselemente schmücken die Füße des Flügels. Handvergoldete Linien umranden Deckelkante und Lyrakasten.

In der Größe 214 VC Vienna Concert und vereint der Flügel Technologie, Design und Handwerk zu einem Gesamtkunstwerk.

Der Secessionsflügel eröffnet die neue Bösendorfer Architecture Series. Als Mitglied der Collector’s Item ist das Design auf 21 Instrumente limitiert. Eine Hommage an das secessionistische Gesamtkunstwerk, verströmt dieser Flügel sowohl den Geist der Einheit in der Vielfalt als auch den revolutionären Ansatz der 9. Sinfonie Beethovens.

Ein Zeitgeist, der wohl nie seine Gültigkeit verliert.

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weitere Information zum Bösendorfer Secessionsflügel


mehr
VER SACRUM - das Künstlermagazin

Mit der Abspaltung geben die Secessionisten ein gleichnamiges Magazin VER SACRUM heraus, mit Beiträgen von Künstlern, Malern, Schriftstellern, Dichtern, Designern und Architekten. „Diese Zeitschrift soll, als ein Aufruf an den Kunstsinn der Bevölkerung sein, zur Anregung, Förderung und Verbreitung künstlerischen Lebens und künstlerischer Selbstständigkeit“, ist im Vorwort des 1. Hefts vom Januar 1898 zu lesen.

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Wie viele internationale Zeitschriften um 1900, die sich mit der Vermittlung und Verbreitung der neuen Kunst widmen, beinhaltet das Magazin VER SACRUM reichhaltige Informationen, ergänzt durch eine Fülle an Illustrationen und Buchschmuckbeiträgen. Das nahezu quadratische Format ist einmalig und hebt sich dadurch von allen anderen Zeitschriften ab. Ständig wechselnden Arbeitsteams übenehmen die Gestaltung und den Inhalt des Magazins.

Das Titelblatt der ersten Ausgabe zeigt einen Baum von Alfred Roller, der den Topf, in dem er gezogen wurde, sprengt und seine Wurzeln in die Erde gräbt – und symbolisiert damit die Rückkehr zum Ursprung der Natur.

 

 

 

 

 

Titelblatt des Ver Sacrum, Organ der bildenden Künstler Österreichs, 1898, Jg.1, Heft 1, Entwurf Alfred Roller, Archiv der Secession

Stürmische Zeiten für den Tempel der Kunst

Der 1. Weltkrieg verwandelt 1914 das Secessionsgebäude in das „Rot Kreuz-Reserve-Spital Secession“. Neun Prozent der Wiener Bürger gehören zu dieser Zeit der jüdischen Glaubensgemeinschaft an und haben großen Anteil am künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffen, wie zum Beispiel Karl KrausArthur SchnitzlerGustav MahlerArnold Schönberg und Alfred Polgar

Wie so viele Österreicher, bejubeln auch diverse Mitglieder der Secession den Nationalsozialismus. 1939 kommt mit dem 2. Weltkrieg die Aufforderung, das Haus als Getreidespeicher zur Verfügung zu stellen. Drei Bombeneinschläge beschädigen 1945 das Gebäude. Zwei Tage vor dem Einmarsch der russischen Truppen steckt die deutsche Wehrmacht das Souterrain des Gebäudes in Brand, das bis auf die Grundmauern niederbrennt. Alles liegt in Trümmern, die Städte, die Seelen der Menschen und auch das Gebäude der Secession. Die ersten Aufräumarbeiten beginnen 1946. 1949 nimmt die Secession den Ausstellungsbetrieb wieder auf. Von 2017 bis 2018 folgt die Generalsanierung des Gebäudes und lässt es im heutigen Glanz erstrahlen.

Der Gründergeist der Secessionisten trotzte bis heute allen widrigen und stürmischen Zeiten.


Dank an die Secession

Das Design des Flügels entstand in enger Kooperation mit der Secession. Wir bedanken uns herzlich beim gesamten Secessions-Team für die gute Zusammenarbeit, die umfangreiche Unterstützung und aller zur Verfügung gestellten Informationen inklusive Bildmaterial.