Es war keine leichte Arbeit. Aber eines Tages hatte ich fast alle Gedichte der Winterreise in den Wiener Dialekt übersetzt. Es fehlten nur noch jene, deren Sujets heute rettungslos veraltet sind, wie z. B. Die Post und Der Leiermann. Ich musste sie neu dichten. Überhaupt war da und dort einiges umzugestalten. Und weil mir meine Ideen ziemlich frech vorkamen, sprach ich mit IHM. Mit Franz Schubert meine ich. Dass ich ihn mit „Franzl“ anredete, schien ihn gar nicht zu stören. Ich sagte: „Lieber Franzl, bitte bring mich nicht um, aber ich muss das tun! Die Texte sind heute nicht mehr zu singen. Nur klassische Sänger trauen sich das.“ Er aber blieb stumm und sah mich nicht einmal an. „Deine Musik ist mir heilig!“ flehte ich ihn an, „Ich habe ja nur diese schwülstigen Zeilen von diesem Wilhelm Müller in unsere Zeit transferiert. Von dir habe ich keinen einzigen Ton verändert.“ Da sagte ER mit strafendem Blick: „Natürlich hast du das. Du hast meine ganze Musik verändert.“ Ich war fassungslos. „Nein!“ sagte ich, „Das würde ich mich doch niemals trauen!“ Aber er blieb stur. „Ich habe nicht deine, sondern die Texte Müllers vertont.“ sagte er. „Wenn du die Texte änderst, stimmt auch die Musik nicht mehr. Verstehst du das?“ - „Ja,“ nickte ich, am Boden zerstört, „wenn du das sagst...“ Doch ich gab nicht nach: „Dein Genie in allen Ehren, aber ich weiß ja, dass du auch ein bissl Komplexe hast. Alles muss immer die hehre Kunst sein. Und neben Beethoven wolltest du begraben werden. Aber als du dann den Tod gespürt und die Winterreise komponiert hast, warst du enttäuscht darüber, dass sie deinen Freunderln nicht gefallen hat. Nur den Lindenbaum wollten sie. Da hast du dann grantig gesagt: ́Die andern Liada wer ́n euch a no g ́falln! ́ So war ́s doch, oder?“ Doch als ich aufblickte, da war der Franzl nicht mehr da. Erst nach längerer Zeit sah ich ihn wieder.