André Previn


Ein Nachruf auf ein musikalisches Naturtalent


Kurz vor seinem 90. Geburtstag verstarb André Previn in seinem New Yorker Zuhause. Ein Ausnahmekünstler, Pianist, Komponist und Dirigent, der spielerisch die beiden Welten der populären und klassischen Musik miteinander verband.

Kein anderer, mit Oscars und Grammys ausgezeichneter Dirigent und Komponist aus den Hollywood-Filmstudios war ebenso erfolgreich in der streng klassischen Welt des London Symphony Orchestras. Er leitete oft zwei Orchester gleichzeitig auf verschiedenen Kontinenten, aber egal in welchem Land er sich gerade befand, er war stets sehr present und oft als neuer Hüter der klassischen Musik gepriesen. „Diejenigen von Ihnen, die denken, ein Dirigent zu sein, ist eine Abfolge von Limousinen und Geliebten – das ist es nicht. Es ist nicht lange genug, um die Wäsche waschen zu lassen oder an etwas Sinnvollem zu arbeiten“, sagte Previn in dem Tony Palmer-Dokumentarfilm von 1998 The Kindness of Strangers. Während seiner Zeit beim London Symphony Orchestra 1971 - 1972 verhalfen Previns telegenen Qualitäten ihm dazu sein Publikum mit der TV-Show André Previns Music Night und, eher unbeabsichtigt, durch sein Comic-Alter Ego Andrew Preview zusammen mit Eric Morecambe und Ernie Wise, deutlich zu vergrößern. In den USA brachte er dem Pittsburgh Symphony Orchestra zwischen 1977 und 1980 beispiellose nationale Aufmerksamkeit mit der Fernsehserie Previn and the Pittsburgh.

Andreas Ludwig Priwin
wurde am 6. April 1929 in Berlin geboren und erhielt seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater. Er studierte am Stern’schen Konservatorium in Berlin unter anderem Klavier bei Rudolf Breithaupt bis die Familie 1938 vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Paris floh. Dort schrieb er sich am Pariser Konservatorium ein, wo er unter anderem Improvisation bei Marcel Dupré studierte. Die Familie emigrierte 1939 in die USA und zog weiter nach Los Angeles. Dort angekommen, übernahm man die heutige Schreibweise des Familiennamens von einem amerikanischen Verwandten, der zu dieser Zeit Musikdirektor bei Universal in Hollywood war. Previn selbst nahm 1943 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Hollywood - Komponist, Pianist, Glamour & Oscars
1945 Jahre erhielt Previn als Teenager einen Vertrag beim Studio MGM Metro Goldwyn Meyer. Durch die Produktionsabläufe und den ständigen Austausch mit Kollegen erarbeitete er sich Kenntnisse als Komponist, Orchestrator, Dirigent und Jazzpianist. Er war ein ausgezeichneter Partitur- und Vom-Blatt-Spieler, was ihm später in seiner Dirigentenkarriere sehr hilfreich war. In seinem späteren Schaffen als Komponist verwendete er nur das Notenpapier und einen Stift. So konnte er seine ganz persönlichen Klangvorstellungen ohne äußerliche Beeinflussung verwirklichen.

Im Alter von 16 Jahren wurde seine Liebe zum Jazz und seine improvisatorische Extravaganz durch Art Tatums Sweet Lorraine geweckt und bald gab er sein erstes Jazzkonzert im Los Angeles Philharmonic Orchestra-Konzertsaal. Es folgten die ersten Schallplattenaufnahmen, unter anderem mit Jazzmusikern wie Willie Smith und Red Callender. Previn moderierte zusammen mit Oscar Peterson die BBC Show Omnibus und hielt selbst bei Oscars schnellsten Tempi mit. Ella Fitzgerald begleitete er am Klavier. Er war einer der Jazzmusiker in Amerika - spielt mit Größen wie Ray Brown, Dizzy Gillespie und Billie Holiday.

Für den Broadway und Film komponierte er Musik; unter anderem die Musik für Three Little Words, Mädchen ohne Mitgift (The Catered Affair), die Filmkomödie Gigi und die Screwball-Komödie Eins, Zwei, Drei. Neben 9 Grammys gewann Previn insgesamt vier Oscars: drei für seine Filmmusikarrangements Porgy und Bess, My Fair Lady, Gigi, und den vierten für Irma La Douce, ein Stück von Billiy Wilder, für das er die Filmmusik komponierte. Die Musik des erfolgreichen Broadway-Musicals Coco über die Modegöttin Gabrielle Chanel stammt ebenfalls aus seiner Feder. Previn dirigierte große Film- und Musicalprojekte wie Jesus Christ Superstar, Der Elefantenmensch oder den Sciencefictionfilm Rollerball.

 

Hinwendung zur sinfonischen Musik
Als Dirigent und Komponist orchestraler Werke widmete er sich immer mehr der klassischen Musik und übernahm 1967 das Houston Symphony Orchestra. Drei Jahre später wurde er als Nachfolger von Claudio Abbado an das London Symphony Orchestra berufen, wohl eine seiner wichtigsten Stationen auf diesem neuen Weg. Es folgten weitere Orchester: Pittsburgh Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra und Oslo Filharmoniske Orkester. 1997 komponierte er die Oper Endstation Sehnsucht (A Streetcar Named Desire) nach einem Stück von Tennessee Wiliams, massgeschneidert für Renée Fleming mit: I want Magic. 2007 folgte die Oper Brief Encounter.

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Previn ganz privat
Der leidenschaftliche Kunstsammler war insgesamt fünf Mal verheiratet. Mit vier seiner Ehefrauen arbeitete er künstlerisch sehr erfolgreich zusammen. Während seiner ersten Ehe mit Jazzsängerin Betty Bennet, und dem damit verbundenen Lebensmittelpunkt in San Francisco, lernte er die lokale Jazz-Szene kennen. Das ermöglichte ihm bei Pierre Monteux, Leiter des San Francisvo Symphony Orchestra,  Dirigierunterricht zu nehmen. Später entstanden mit seiner Frau gemeinsame Jazzprojekte auf der Bühne und im Tonstudio. Auch mit seiner zweiten Frau, Dory Langdon, schrieb er Musik für Filme und für Jazz- sowie Popkünstler, wie Doris Day. Ehefrau Nummer vier war die Filmschauspielerin Mia Farrow; auch hier entstanden gemeinsame, kreative Arbeiten. Seine fünfte Ehe mit Stargeigerin Anne-Sophie Mutter war ebenfalls von künstlerischem Schaffen geprägt. Sie war – neben dem Boston Symphony Orchestra – seine wichtigste Interpretin und Auftraggeberin. Previns erstes Violinkonzert wurde von Anne-Sophie Mutter 2002 uraufgeführt und trägt ihren Namen. Weitere Kompositionen, gemeinsame Tonaufnahmen und Konzerte folgten. Auch nach der Scheidung blieben die beiden freundschaftlich miteinander verbunden, waren innige Musikgefährten.

 

In einem Interview zu seinem 80. Geburtstag wurde Previn gefragt, ob er etwas bereue. "Privat, ja", sagte er. „Ich habe in meinem Privatleben sehr schlechte Entscheidungen getroffen. Aber als Profi, nein, nicht wirklich“ und fügte hinzu: „ich nehme mich nicht ganz so ernst".

 

Ehrungen & Auszeichnungen
1996 erhielt Previn von Königin Elisabeth II den Orden Knight Commander of the British Empire, 2005 den Glenn-Gould-Preis und 2011 das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland. 2012 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.


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Fotos: A. P. Mutter
Titelfoto: München Gasteig, André Previn mit dem Oslo Philharmonic Orchestra