CD-Präsentation: Jasmine Choi & Hugh Sung


Brahms - Schumann - Reinecke


Man kann leicht feststellen, dass die meisten bekannten Komponisten der Romantik nicht viel für die Flöte komponiert haben. Um diese traurige Tatsache als Flötistin zu lindern, spiele ich seit meiner Jugend Werke aus der Romantik, die für andere Instrumente geschrieben wurden und von denen viele mittlerweile zum Standardrepertoire für Flöte gehören.

Die Sonate Es-Dur op. 120 Nr. 2 für Klarinette und Klavier komponierte Johannes Brahms (1833-1897) in Wien im Jahr 1894, drei Jahre vor seinem Tod. Vielleicht ist das Porträt von Brahms mit dem zotteligen, langen weißen Bart, das uns oft begegnet, um diese Zeit entstanden. Da es das letzte kammermusikalische Werk und die letzte Sonate war, die er geschrieben hat, kann man das schlichte und doch tief gereifte Werk auf bemerkenswerte Weise erleben. Der erste Satz wird von einer schlichten Melodie mit großer Zartheit angeführt, der zweite Satz schildert in verhaltener Weise Gefühlswirbel, und der letzte Satz entwirft in einer Variation eine Art religiöse Atmosphäre.

Ich kann mich an kein intensives Gefühl erinnern, als ich dieses Stück zum ersten Mal hörte, obwohl es nicht in der Originalbesetzung, sondern mit Flöte und Klavier gespielt wurde. Aber als ich den Flötisten Jeffrey Khaner, Soloflötist des Philadelphia Orchesters und mein damaliger Lehrer an der Juilliard School mit dem Pianisten Hugh Sung hörte, der auch auf dieser Aufnahme mitspielt, war es fast ein Schock für mich, ein so unfassbar schönes Stück in dieser Welt gefunden zu haben. Obwohl ich nicht sofort anfing, es zu lernen, da ich warten wollte, bis ich mich für ein solches Meisterwerk bereit fühlte, war es, als ob ich im Paradies schweben würde, als ich mich endlich entschloss, die Sonate zu erarbeiten.

Die offizielle Uraufführung dieses Werkes fand im Bösendorfer-Saal in Wien (diese CD wurde im Bösendorfer-Saal in Wiener Neustadt aufgenommen) mit dem Klarinettisten Mühlfeld und Brahms am Klavier statt. Drei Monate vor der Uraufführung stellte Johannes Brahms seine Komposition Clara Schumann vor. Da Brahms später dieses Werk für Bratsche und Klavier transkribierte, könnte ich mir vorstellen, dass Brahms die Bearbeitung für die Böhm-Flöte sehr geschätzt hätte.

 

Alle drei Werke in dieser Aufnahme sind wirklich kostbar: Ich habe versucht, nicht nur die intime Sprache dieser wunderbaren Komponisten, sondern auch meine persönlichen Erfahrungen mit diesen Werken so gut wie möglich auszudrücken. Ich glaube, dass es die unendliche Kraft der Musik ist, die uns alle verbinden kann, unabhängig von Epoche, Generation, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität und Geschlecht. Wo auch immer Sie sind oder wer auch immer Sie sind: In dem Moment, in dem Sie diese Aufnahme hören, sind Sie mit dem Komponisten und Sie mit mir auf die ein oder andere Art und Weise durch die Musik verbunden.

 

Drei Romanzen op. 94 für Oboe und Klavier von Robert Schumann (1810-1856) ist das einzige Werk, das Robert Schumann für die Oboe geschrieben hat. Leider bekam Schumann es zu Lebzeiten nicht zu hören: Am nächsten kam er dem Werk, als es privat von dem Geiger Francois Schubert mit Clara Schumann am Klavier aufgeführt wurde. Sieben Jahre nach Schumanns Tod im Jahr 1863 wurde das Werk schließlich im Leipziger Gewandhaus von dem Oboisten Emilius Lund und Carl Reinecke am Klavier uraufgeführt.

Diese drei Romanzen sind die ungefilterten Lieder der tiefen Liebe und Zuneigung zu seiner Frau Clara. In allen drei Romanzen werden die Emotionen von ruhig und bis hin zu stürmisch und lebhaft ausgedrückt. Interessant ist auch, dass man in der dritten Romanze den Stil von Brahms, dessen Musiksprache stark von Schumann beeinflusst war, dezent erkennen kann.

Falls jemand fragt, ob es zu leicht ist, dieses Stück zu spielen, weil es keine wirklich virtuosen Passagen gibt, möchte ich hier ein Zitat von Schumann anführen: "Bemühe dich, leichte Stücke gut und mit Eleganz zu spielen; das ist besser, als schwere Stücke schlecht zu spielen."

Es gab eine Zeit, in der ich sechs Monate lang überhaupt nicht in der Lage war, Flöte zu spielen - ich war 18 Jahre alt und in meinem dritten Jahr am Curtis Institute of Music. Zahlreiche Ärzte habe ich aufgesucht, aber keiner fand einen Anhaltspunkt, was es war und warum ich nicht einmal einen Bleistift mit der rechten Hand heben konnte.

 

Einige von ihnen haben mir gesagt, dass meine Fähigkeit Flöte zu spielen, nicht zurückkommen wird und legten mir nahe, dass ich mir einen anderen Beruf suchen sollte. in dieser Zeit, als mir niemand Hoffnung machte, klopfte Schumanns Musik an mein Herz.

Es war sehr heilsam, Arthur Rubinsteins Einspielungen der Werke Schumanns in einer Endlosschleife zu hören und dabei dachte:"Schumann liest meinen aufgewühlten Geist so gut!"

Ich erinnere mich, dass das Philadelphia Orchestra mit dem damaligen Musikdirektor Wolfgang Sawallish in dieser Konzertsaison zufällig einen "Schumann-Zyklus" machte und das ganze Jahr über alle Werke von Robert Schumann aufführte. Dieses besorgte koreanische Mädchen ging zu jedem Konzert, auch wenn sie an den aufeinanderfolgenden Tagen das gleiche Programm wiederholten, und dachte und hoffte, dass, wenn sie jemals wieder Flöte spielen könnte, das erste Stück ein Werk von Robert Schumann sein würde. Lange Rede, kurzer Sinn: Als ich wie durch ein Wunder endlich wieder zur Flöte zurückkehren konnte, waren diese "Drei Romanzen" die ersten Werke, die ich wieder in die Hand nahm. Als ich nach langer Zeit wieder meinen Unterricht Julius Baker, dem ehemaligen Soloflötisten der New Yorker Philharmoniker, nehmen konnte, munterte er mich auf indem er sagte, dass in den letzten sechs Monaten die Technik und der Klang bei mir zurückgeblieben wien, aber die Musik, die ich gerade gespielt hätte, viel tiefer als vorher sei." Ich war in Tränen aufgelöst.

 

 

Brahms, Schumann und Reinecke: alle drei erlebten die glorreichste Zeit des 19. Jahrhunderts. Ihr Leben, ihre musikalische Sprache und ihre Freundschaften waren eng miteinander verwoben.

 

Carl Reinecke, der uns eher weniger bekannt ist, war ein Musiker mit Multitalenten: Er war nicht nur Komponist, sondern auch ein phänomenaler Pianist, der mit 12 Jahren debütierte und seit seinem 19. Lebensjahr durch ganz Europa tourte; als Dirigent war er über 30 Jahre lang Musikdirektor des großen Gewandhausorchesters; als engagierter Pädagoge unterrichtete er Klavier und Komposition am Leipziger Konservatorium. Wie man sieht, hatte er ein äußerst vielseitiges Leben geführt und sich an verschiedenen Spektren der Musik erfreut. Manchmal wünschte ich mir, dass er sich mehr als Komponist konzentriert hätte, damit er den nachfolgenden Generationen mehr Kompositionen hinterlassen hätte.

Die Sonate für Flöte und Klavier in E-Dur op. 167 "Undine" von Carl Reinecke (1824-1910) ist die bekannteste und beliebteste Komposition Reineckes.

In dieser viersätzigen Sonate schildert Reinecke die Atmosphäre und die Geschichte von Undine nach dem deutschen Dichter Friedrich de la Motte Fouqué.

Undine war eine Wassernymphe, die ihr ewiges Leben unter dem Wasser genoss, bis sie beschloss, es zu verlassen, da sie ein menschliches Leben anstrebte. Sie wurde an einem Strand von einem Fischer und seiner Frau gefunden, die sogleich ihre Pflegeeltern wurden. Eines Tages trifft Undine den Ritter Huldbrand, der zum Haus des Fischers kam, um Schutz vor einem Sturm zu suchen, und verliebt sich sofort in ihn. Obwohl die Geschichte durch den Verrat von Huldbrant und die anschließende Rache von Undinge eher tragisch endet, hat Reinecke alle detaillierten Eindrücke der atemberaubend schönen Liebesgeschichte, des unergründlichen Herzschmerzes und sogar der wahnsinnigen und grausamen Szenen in dieser viersätzige Sonate vertont.